Was ist Schriftdolmetschen?

Meine Tätigkeit und mich möchte ich gern vorstellen. Ich bin Jahrgang 1985, wohne in Jena und habe Studienabschlüsse in Sportwissenschaft, Rehabilitationspädagogik und Angewandter Sportpsychologie.

Studien, Praktika und spätere berufliche Tätigkeit hatten die Inklusion von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen zum Anliegen. Daher war mein Interesse an einer Ausbildung zur Schriftdolmetscherin über den Deutschen Schwerhörigenbund (DSB) naheliegend. Ich absolvierte sie seit März 2015 über Wochenendseminare, Online-Übungen und Praktika und erwarb im November 2015 das DSB-Zertifikat.

Schriftdolmetschen bedeutet das Übersetzen  von Sprache in Schrift. Es ist eine Alternative zur Gebärdensprache, welche insbesondere für spätertaubte und schwerhörige Menschen eine Fremdsprache ist; selten mit Gebärdensprache aufgewachsen, bleibt deren „Muttersprache“ immer die Schriftsprache. Beim Schriftdolmetschen wird Gesprochendes wortwörtlich oder in zusammengefasster Form bzw. unter Verwendung von Kürzeln so schnell mitgeschrieben, dass es hörgeschädigten Menschen möglich ist, Reden, Fachvorträgen, Gesprächen usw. fast zeitnah durch Mitlesen zu folgen und so an der Kommunikation aktiv teilzunehmen. Der Schriftdolmetscher schreibt am Laptop  und der Text ist je nach Veranstaltungsrahmen am Bildschirm oder auf einer Leinwand ablesbar.                                            

Hohe Schreibgeschwindigkeit – meine liegt zur Zeit bei 500 Zeichen pro Minute –  und Konzentrationsvermögen sind Grundvoraussetzungen für das Schriftdolmetschen. Aber das genügt nicht. Man muss sich in die Situation von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen einfühlen können und sorgfältig auf die spezifischen Inhalte der Einsätze vorbereiten. Jeder Schriftdolmetscher erarbeitet sich ein eigenes Repertoire an Abkürzungen, die er lernen muss wie Vokabeln, und die während des Schreibens über ein Autokorrekturprogramm  im Lesetext zu Worten oder Wortgruppen umgewandelt werden.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig – vom Termin in der Anwaltskanzlei oder der Arztpraxis über Behörden bis hin zu Ausbildung, Studium und Berufsleben. Im Rahmen des ausbildungsbegleitenden Praktikums beim DSB Ortsverein Weimar und beim Landesverband der Gehörlosen Thüringen in Erfurt begleitete ich schwerhörige und ertaubte Menschen individuell sowie in Selbsthilfegruppen bei unterschiedlichsten Veranstaltungen und habe mich dabei in meiner Entscheidung für diese Zusatzausbildung bestätigt gefühlt.                                                                                                            

Es ist eine Herausforderung, technische, psychosoziale und fachliche Kompetenzen in dieser Tätigkeit so komplex unter Beweis zu stellen und damit einen Beitrag zur Teilhabe hörgeschädigter Mitmenschen zu leisten. Diese haben laut Sozialgesetzbuch IX,  dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz sowie Kommunikationshilfeverordnung) einen gesetzlichen Anspruch auf Kommunikationshilfe und Kostenübernahme zuständiger Leistungsträger (z.B. Krankenkassen, Integrationsämter). Der Schriftdolmetscher kann und soll ihnen ermöglichen, Barrieren zu überwinden und am beruflichen und gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilzunehmen.

Als einer der noch wenigen DSB-zertifizierten Schriftdolmetscher in Thüringen bin ich seit September 2015 nebenberuflich selbständig tätig.